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Milliardendefizit in der Pflegeversicherung: Kommt die verpflichtende private Pflegeversicherung?
Die finanzielle Lage der sozialen Pflegeversicherung (SPV) spitzt sich weiter zu. Trotz einer Beitragserhöhung zu Beginn des Jahres, die Mehreinnahmen von rund 3,7 Milliarden Euro jährlich generiert, klaffte bereits im ersten Quartal 2025 eine Lücke von etwa 90 Millionen Euro. Für das gesamte Jahr 2025 rechnet der GKV-Spitzenverband mit einem Minus von 160 Millionen Euro. Im Haushaltsentwurf 2025 sind Darlehen zur Stabilisierung der SPV vorgesehen: 0,5 Milliarden Euro in diesem Jahr und weitere 1,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Dennoch erwartet der Bundesrechnungshof für 2026 ein Defizit von 3,5 Milliarden Euro, das bis 2029 auf 12,3 Milliarden Euro anwachsen könnte, sofern keine Strukturreformen erfolgen. Diese Zahlen wurden im ZDF-Morgenmagazin bekannt gegeben.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) schließt eine erneute Beitragsanpassung zum Januar nicht aus, sollte es keine weiteren Haushaltsmittel geben. Sie betont, dass kurzfristig mehr Unterstützung aus dem Haushalt notwendig sei, bis die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission für eine Pflegereform greifen. Im Koalitionsvertrag ist zudem vereinbart, einen Deckel für die hohen Eigenanteile bei Pflegeheimplätzen zu prüfen. Warken äußerte sich offen gegenüber einer verpflichtenden privaten Pflegeversicherung, wie sie der Experten-Rat „Pflegefinanzen“ vorschlägt.
„Das ist ein Ansatz, der verfolgt werden soll: Anreize schaffen für private Vorsorge, vielleicht auch Verpflichtung in dem Bereich schaffen. Das ist sicherlich ein Punkt, den die Kommission beleuchten wird und der dringend nötig sein wird, um das System zukunftsfest zu gestalten.“
— Bundesgesundheitsministerin Nina Warken
Die Bund-Länder-Kommission teilt sich in zwei Facharbeitsgruppen auf, die wöchentlich tagen und mit allen Beteiligten diskutieren sollen. Der Experten-Rat „Pflegefinanzen“ empfiehlt die Einführung einer obligatorischen, kapitalgedeckten Zusatzversicherung, die die pflegebedingten Eigenanteile in der stationären Versorgung absichern soll. Die Neubeiträge für einen Starttermin 2026 sind nach Altersgruppen gestaffelt: Für 20-Jährige liegt der Beitrag bei 44 Euro monatlich, für ältere Versicherte steigt er auf bis zu 64 Euro. Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich den Beitrag, sodass je nach Altersgruppe zwischen 22 und 32 Euro monatlich anfallen. Mit Eintritt ins Rentenalter reduziert sich der Beitrag auf die Hälfte. Kinder sind beitragsfrei versichert, Rentner zahlen nur den halben Beitrag, und bei Hilfebedürftigkeit ist eine Reduktion auf bis zu null Euro möglich.
Jahr | Defizit (Mrd. Euro) |
---|---|
2025 | 0,16 |
2026 | 3,5 |
2029 | 12,3 |
Der Experten-Rat warnt vor weiterem Zögern der Politik und betont, dass die Zeit drängt, um die Pflegeversicherung für die Baby-Boomer-Generation vorzubereiten. Denkbar sei auch eine Gruppenversicherung im Rahmen einer betrieblichen Pflegeversicherung, die der gesamten Belegschaft und deren Familienangehörigen Versicherungsschutz bieten könnte.
- Beitragserhöhung generiert 3,7 Mrd. Euro jährlich
- Defizit 2026: 3,5 Mrd. Euro, 2029: 12,3 Mrd. Euro
- Obligatorische Zusatzversicherung: Beiträge zwischen 44 und 64 Euro monatlich (hälftig Arbeitgeber/Arbeitnehmer)
- Kinder beitragsfrei, Rentner zahlen die Hälfte
Infobox: Die soziale Pflegeversicherung steht vor einem Milliardenloch. Eine verpflichtende private Zusatzversicherung wird als Lösung diskutiert. Die Politik muss rasch handeln, um die Finanzierung langfristig zu sichern. (Quelle: Versicherungsjournal Deutschland)
Debatte um die Beitragsbemessungsgrenze: Kann sie die GKV retten?
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) steht unter erheblichem finanziellem Druck. Der demografische Wandel, medizinischer Fortschritt und steigende Ausgaben, etwa für Arzneimittel und Klinikversorgung, treiben die Kosten kontinuierlich in die Höhe. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag liegt aktuell bei 2,5 Prozent – ein historischer Höchststand. SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis schlägt vor, die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) anzuheben, um Gutverdiener stärker an der Finanzierung zu beteiligen. Die BBG liegt derzeit bei 5.512,50 Euro brutto im Monat. Einkommen oberhalb dieser Grenze bleiben beitragsfrei.
Pantazis argumentiert, dass eine moderate Anhebung der BBG auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung erhebliche Mehreinnahmen für die GKV bringen würde. Gleichzeitig soll die Versicherungspflichtgrenze angehoben werden, damit mehr Gutverdienende in der GKV verbleiben und das System stabilisieren. Dies würde die breite Mitte der Gesellschaft langfristig entlasten und vor weiteren Zusatzbeitragserhöhungen schützen. Langfristig setzt die SPD auf die Einführung einer solidarisch finanzierten Bürgerversicherung, doch bis dahin seien machbare Zwischenschritte notwendig.
„Die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) legt fest, bis zu welcher Höhe das Einkommen zur Finanzierung der GKV herangezogen wird. Aktuell liegt sie bei 5.512,50 Euro brutto im Monat. Jeder Cent darüber bleibt beitragsfrei. Das ist angesichts der wachsenden finanziellen Herausforderungen der GKV kaum noch vermittelbar.“
— Christos Pantazis, SPD
Albert Stegemann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, sieht die Anhebung der BBG kritisch. Er betont, dass das deutsche Gesundheitssystem nach den USA das zweitteuerste der Welt sei, aber nicht den entsprechenden Output liefere. Stegemann verweist auf Ineffizienzen, wie etwa 9,5 Arztkontakte pro Jahr und Bürger in Deutschland, während es in Frankreich nur gut halb so viele sind. Er fordert mehr Effizienz im System, etwa durch ein Primärarztsystem und eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser. Eine Anhebung der BBG würde seiner Meinung nach die Arbeitskosten erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft gefährden.
- Pro: Mehr Einnahmen für die GKV, sozial gerechte Lastenverteilung, Entlastung der Mitte
- Contra: Höhere Arbeitskosten, Risiko für Abwanderung von Fachkräften, Fokus auf Systemineffizienzen statt Einnahmen
Beitragsbemessungsgrenze (BBG) | 5.512,50 Euro/Monat |
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Durchschnittlicher Zusatzbeitrag | 2,5 % |
Arztkontakte pro Jahr (Deutschland) | 9,5 |
Arztkontakte pro Jahr (Frankreich) | ca. 4,75 |
Stegemann betont zudem, dass die gesetzlichen Krankenkassen von versicherungsfremden Leistungen befreit werden müssten, etwa den Krankenkosten für Bürgergeldempfänger, die aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollten. Für das duale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung sieht er weiterhin gute Gründe, da der Wettbewerb zu einer besseren Versorgung führen könne.
Infobox: Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze könnte die Einnahmen der GKV stärken, ist aber politisch umstritten. Während die SPD auf eine sozial gerechte Lastenverteilung setzt, warnt die Union vor steigenden Arbeitskosten und fordert mehr Effizienz im System. (Quelle: procontra)
Quellen: